Wie wird die Digitalisierung unsere Arbeitswelt verändern?

Eine Frage, mit der sich viele Wissenschaftler und Praktiker beschäftigen. Es wird viel spekuliert aber eher wenig substanziell “geforscht.“ Nicht überraschend, denn wie sagte schon Karl Valentin: „Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn Sie die Zukunft betreffen.“ Es ist das Verdienst der beiden Forscher Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne, die sich davon nicht abhalten ließen. In ihrer Studie „The Future of Employment: How susceptible are jobs to computerization?” Die beiden beschäftigen sich mit der Zukunft der Arbeit und der Frage, wie anfällig verschiedene Jobs für die Digitalisierung sind. Die Studie erregte 2013 großes Aufsehen und basierte auf Daten in den USA. Die Erkenntnisse lassen sich aber leicht auf andere Industrieländer übertragen. Die beiden Forscher untersuchten für 702 unterschiedliche Berufe, wie anfällig diese für den Ersatz durch Digitalisierung, insb. durch künstliche Intelligenz sind. Für jeden dieser Berufe wurde kalkuliert, wie Technologie die jeweiligen Aufgaben der Jobs günstiger und hochwertiger ausführen könnte. Dabei bedienten sie sich zweierlei Faktoren: Erstens, erkennbare Muster in den Aufgaben und, zweitens, Reiz-Reaktionsschema. Je mehr die Aufgaben einzelner Jobs davon geprägt waren, desto eher gehen die Forscher davon aus, dass sie digitalisierbar sind. Aufgaben hingegen, die auf Empathie und sozialer Interaktion beruhen, seien nicht oder kaum ersetzbar. Auf dieser Basis wurden die 702 Berufe nach der Wahrscheinlichkeit ihrer Digitalisierung aufgelistet. Oben standen die Berufe mit der geringsten Wahrscheinlichkeit der Digitalisierung, am Ende die mit der höchsten Wahrscheinlichkeit.

… und die Jobs im Vertrieb?

Auch Vertriebsjobs wurden von Frey und Osborne untersucht und hier sind die Platzierungen ausgewählter Jobs: Sales Engineers (Platz 14), Sales Managers (Platz 15), Sales Representatives, Wholesale and Manufacturing, Technical and Scientific Products (Platz 228), Sales Representatives, Wholesale and Manufacturing, Except Technical and Scientific Products (Platz 484), Parts Salespersons (Platz 676) Telemarketers (Platz 702).

Ausblick für Menschen im Vertrieb

Welche Erkenntnisse lassen sich aus der Studie für den Vertrieb ziehen? Alle einfachen Vertriebsaufgaben, z.B. Produkteverkauf, Telesales, lassen sich digitalisieren und werden mit der Zeit verschwinden. Die Zukunft des persönlichen Vertriebs ist der anspruchsvolle Verkauf. Auch der wird teilweise digitalisiert, z.B. durch Tools, Verkaufshilfen usw. Aber hier werden die Menschen weiter den Kern der Funktion bilden. Was ist nun „anspruchsvoller Verkauf“, welche Aufgaben, werden noch von verkaufenden Menschen erledigt werden? Hier kommen einige meiner Vorschläge für Sie, wenn Sie im Vertrieb tätig sind oder für diesen verantwortlich sind:

Wertvoller Gesprächspartner für Kunden sein: 

Geschäftsbeziehungen und -modelle werden immer komplexer, die freie Zeit der Fachexperten und Führungskräfte immer knapper. Jedes Gespräch Ihrer Kunden mit Ihnen muss wertvoll sein, z.B. weil Sie Fragen stellen, die die Kunden zum Nachdenken anregen. Weil Sie gute Vorschläge machen, an die Ihre Kunde selbst nicht gedacht haben. Weil sie Lösungen bieten, auf die Kunden nicht selbst kamen usw.

Kunden stark und erfolgreich machen

Es geht im Verkauf nicht um Sie und Ihre Produkte und Dienstleistungen. Es geht um Ihre Kunden, deren Bedürfnisse oder deren Erfolg. Alles, was Sie anbieten, muss Ihren Kunden Nutzen stiften. Nutzen sollte messbar sein und sich monetär oder ideell „auszahlen.“ Dieser Nutzen muss in der Regel individuell erarbeitet werden. Das ist die Aufgabe des persönlichen Verkaufs.

Kunden für Lösungen begeistern

Echte Lösungen sind in der Regel komplex und erklärungsbedürftig. Manchmal ist der Weg, bis Kunden etwas „verstehen“, lang und am Ende dominiert beiderseits eine nüchterne Erleichterung. Aber dieses Verständnis bleibt – wie früher in der Schule, wenn man es endlich verstanden hat – emotionslos. Der Vertrieb muss Begeisterung für Lösungen wecken – auch, wenn es abgedroschen klingt.

Märkte langfristig aufbauen

Neue Märkte aufzubauen, folgt keinen Standards. Der Erfolgsprinzip lautet „Trial-and-Error“ – also Versuch und Irrtum. Nach jedem Versuch (und ggfs. jedem Irrtum) folgt die Analyse und ein neuer Weg. Auf diese Art und Weise werden Lösungen gefunden und weiter optimiert. Irgendwann können Algorithmen übernehmen, aber bis dahin sind menschliche Kreativität und Kompetenz im Vertrieb gefragt.

Komplexe Entscheidungen der Kunden orchestrieren

Anspruchsvolle Entscheidungen, z.B. im B2B-Geschäft mit einem Buying-Center sind komplex und langfristig. Man kann ihre Entwicklung dem Kunden oder dem Zufall überlassen. Man sollte Sie, z.B. durch ein professionelles Key Account Management jedoch besser aktiv führen.

Fazit

Die Zukunft des persönlichen Verkaufs liegt in der wertschöpfenden Interaktion zwischen Menschen auf Kunden- und Anbieterseite. Die vorgestellte Liste ist nicht abschließend, sondern beispielhaft. Und natürlich wachen wir nicht morgens auf und die Welt ist komplett anders. Das Verschwinden der einfachen Vertriebsjobs und das Erstarken der anspruchsvollen ist eine Evolution. Über welchen Zeitraum sprechen wir? Schwer zu sagen! Ich denke, es dauert länger als wir denken, wenn wir Artikel wie diesen hier lesen. Dann werden wir aber doch überrascht, wie schnell alles plötzlich geht. Noch eines zum Schluss: Erfolgreicher persönlicher Verkauf basiert auf Standards und Tools, die sich bewährt haben. Ich nenne Sie die Pflicht. Die Kür leisten Kreativität, Fachkenntnis und Individualität. Persönlicher Verkauf der Zukunft wird von Menschen mit echter Persönlichkeit geprägt.

Dieser Blogbeitrag ist zuerst in der „Marketing & Sales Review 2019“ des Club 55 erschienen.