Meine Erfahrungen

Als Wissenschaftler hat man das Privileg, dass man zumindest einen Teil seiner Aufgaben ortsunabhängig erledigen darf. Wenn man forscht und schreibt, ist eine gewisse Abgeschiedenheit sowieso sinnvoll und so arbeite ich seit vielen Jahren regelmäßig im Homeoffice. Früher hauptsächlich für die Forschungsarbeit, heute für Beratung, Vortrags- und Seminarvorbereitung usw. Viele von Ihnen und Euch sind vielleicht erst jetzt durch die neuen Arbeitsmethoden in Zeiten der Corona-Pandemie in diese Situation gekommen. Daher könnten einige meiner Erfahrungen hilfreich sein.

 

Homeoffice ist Fluch und Segen zugleich!

Du bist auf Dich alleine gestellt. Es fehlt der fachliche und persönliche Austausch mit Kolleginnen und Kollegen. Klar, kann man den telefonisch oder über Videokonferenzlösungen herstellen. Aber es ist nicht gleiche. Die Einsamkeit kann auch deprimierend und lähmend sein. Konzentration und Fokus sind aber eigentlich kaum besser möglich. Diese Chance gilt es zu nutzen. Denn im Homeoffice bist Du bist selbstbestimmt und flexibel. Du kannst einen eigenen Rhythmus entwickelt, der Dir mental und körperlich am besten liegt. Aber mit diesen Freiheitsgraden muss man umgehen können, um z.B. nicht zu spät zu beginnen, sich nicht zu viele Pausen zu gönnen usw.

 

Homeoffice sollte geplant und geübt werden

Wie erwähnt, arbeite ich schon recht lange im Homeoffice und schätze das sehr. Das Potenzial, dass diese Arbeitsform bietet, erschließt sich nach meiner Erfahrung nicht von selbst. Man muss es planen und üben. Aktuell ist das Web voll von Hinweisen, wie man effizient und effektiv zu Hause arbeitet. Nach einer kurzen Recherche weiß man, dass man einen möglichst „professionellen“ Arbeitsplatz einrichten, feste Zeiten einplanen, regelmäßige Pausen machen sollte usw. Das alles muss man dennoch planen und üben. Es gibt dann Tage, an denen klappt es besser, an anderen weniger. Das gleiche gilt übrigens auch für die Arbeit im Büro. Da macht man sich aber weniger Gedanken.

 

Flow im Homeoffice?

Mihály Csíkszentmihályi gilt als Schöpfer des Flow-Konzeptes, eines Zustands in dem man sich in völliger Vertiefung und Konzentration einer Sache widmet, die dann fast wie von selbst entsteht. Ein Traum von Arbeit, oder?

 

In den Flow kommen wir im Homeoffice sicher nicht bei Telefonaten, Videokonferenzen usw.  Aber es die Chance für inhaltliche, kreative, konzeptionelle Arbeit. Das können z.B. Innovationen, Strategien, Projektepläne, Marketing- und Vertriebskonzepte, Kundenpläne usw. sein. Eigentlich die Aufgaben, zu denen wir sonst nicht kommen, weil wir immer zu viel zu tun und zu wenig Zeit haben. Wenn also nicht jetzt, wann dann?

 

Meine Empfehlungen für erfolgreiches Flow-Arbeiten im Homeoffice

Wenn man „Großes“ zu erledigen hat, inhaltliche Themen mit einer gewissen Komplexität, wird man nach meiner Erfahrung von folgenden Aspekten profitieren:

 

  1. Nehmen Sie sich geeignete Themen vor und reservieren Sie sich dafür Zeit ohne Störungen (Familie, Türklingel, Telefonate, Videokonferenzen etc.). Ich checke dazu z.B. kurz vorher nochmal alle Mails, beantworte Wichtiges und Dringendes und schalte dann die möglichen Störquellen aus.
  2. Starten Sie mit den Aufgaben in einer Phase, in der Sie besonders fit und aufmerksam sind. Das braucht etwas Übung, weil wir uns häufig nicht so gut selbst beobachten. Bei mir ist das z.B. immer der Vormittag (nicht direkt zum Arbeitsbeginn) und der Nachmittag (nicht direkt nach der Mittagspause). In der Regel halte ich zwei bis maximal drei Stunden konzentrierter Arbeit durch. Danach muss ich mich einem anderen Thema und einer anderen Aufgabe widmen. Die Zeiten könnten bei Ihnen kürzer (oder auch länger) sein.
  3. Achten Sie auf einen guten körperlichen Zustand. Nicht zu erschöpft, z.B. direkt nach einer Joggingrunde. Nicht zu fahrig, z.B. nach einer Aufregung.
  4. Stimmen Sie sich auf die Flow-Phase ein. Bei mir hilft z.B. eine kurze meditative Phase, eine Tasse leckeren Tee oder Kaffee. Legen Sie motiviert und mit klaren Zielen los.
  5. Haben Sie alle nötigen Hilfsmittel zu Hand. Bücher, Quellen, Studien etc. Kurzes Surfen zu Recherchezwecken ist erlaubt, birgt aber die Gefahr, dass man sich im Netz oder den Sozialen Medien „verirrt“ und ablenken lässt. Recherchen sind Fleißarbeiten. Daher empfehle ich die eigentliche Recherche und eine erste Bewertung immer separat zu machen.
  6. Beißen Sie sich nicht fest. Nach meiner Erfahrung muss man im Flow kontinuierlich weiterkommen. Sobald ich merke, dass ich etwas länger hänge, gehe ich zum nächsten Thema. Markieren Sie dazu Themen, denen Sie sich nochmals widmen wollen.
  7. Genießen Sie Ihre Ergebnisse der Flow-Phase. In aller Regel bekommen Sie für diese Arbeiten kein direktes Feedback, an dem Sie sich erfreuen können. Freuen Sie sich also selbst über das Ergebnis und nehmen Sie bewusst wahr, wie viel und in welcher Qualität Sie schaffen können, wenn Sie Zeit, Muße und Fokus haben.
  8. Akzeptieren Sie, dass es Tage gibt, an denen man nicht in den gewünschten Zustand kommt. Nicht schlimm! Ich habe zwei Strategien: Erstens, weitermachen und mit weniger Output zufrieden sein. Hier gilt, Übung macht den Meister. Beim nächsten Mal wird es sicher wieder besser. Zweitens, abbrechen und sich anderen Aufgaben widmen. Am besten, einige Routine-Aufgaben abarbeiten und sich daran freuen, dass man seine Zeit dennoch gut genutzt hat.

 

Selbstmanagement ist immer individuell

Wie man sich selbst am besten „managt“ ist immer eine individuelle Sache. Ich beschäftige mich schon sehr lange und intensiv damit. Ich denke, ich mache das sehr gut, ertappe mich aber dennoch immer wieder damit, meine eigenen Zügel zu locker zu lassen. Ineffizienz und weniger Produktivität sind die Folge, aber eben auch Unzufriedenheit. Insofern lohnt es sich, daran zu arbeiten und … einen eigenen Stil zu entwickeln. Vielleicht und hoffentlich schätzen Sie oder schätzt Du meine Empfehlungen als Inspiration. Viel Erfolg dabei und ein schönes Flow-Gefühl!

Bildquelle: Claudio Schwarz, Unsplash 2020