In der ersten Dotcom-Ära prognostizierten nicht wenige Experten das Ende des persönlichen Vertriebs, bzw. der Vertriebsmannschaft. Rasch machte sich jedoch eine Gegenbewegung breit, die auf den Wert der persönlichen Beziehung pochte. „You can’t email a handshake.“ Stammt aus dieser Zeit und man möchte dem Satz intuitiv zustimmen. Aber die Welt ändert sich und ich rate zur Zurückhaltung bei Schwarz-Weiß-Sichtweisen. Aber nachdem sich der Nebel im Laufe der Jahre gelichtet hat, ist auch klar: Der klassische Vertrieb muss sich neu aufstellen. Folgende Aspekte sind relevant:

  1. Die technischen Möglichkeiten der IT, aber auch deren Nutzerfreundlichkeit, z.B. gerade auch die intuitive Bedienung, sind heute enorm und werden immer besser. Dies betrifft die Tools und Schnittstellen, mit denen die Kunden und die Vertriebsmitarbeitenden arbeiten.
  2. Die Akzeptanz der neuen Technologien steigt immer weiter. Es ist heute für die meisten Menschen selbstverständlich, Bankgeschäfte, Reisebuchungen, Käufe fast jeder Produktkategorie über das Internet zu tätigen. Die Anzahl der Skeptiker nimmt ganz automatisch ab. Im Gegensatz zu 1. handelt es sich aber hier um einen kulturellen Wandel. Technologie ist und wird Teil des Lebens. Und das werden selbst zukunftsskeptische Regulierer nicht aufhalten können.
  3. In jeder Branche gibt es First Mover, die das technische Potenzial ausnutzen. Damit kommen etablierte Anbieter und deren Vertriebswege automatisch unter Zugzwang, selbst wenn man zu der Erkenntnis kommt, die traditionellen Prozesse und Vertriebswege sind eigentlich effektiver und effizienter.

Der Vertrieb muss sich neu aufstellen. Im Folgenden greife ich vier wesentliche Ansatzpunkte auf:

Erstens, „Multichannel“ ist Pflicht. Unternehmen müssen auf allen relevanten Kanälen präsent sein und die Kanäle müssen integriert sein. Das heißt, der Kunde muss, egal wo er „aufschlägt“ identifiziert werden und entsprechend einheitlich und abgestimmt bedient werden. Die Kanäle sind nicht nebeneinander zu betrachten, sondern Kunden wechseln selbstverständlich auch die „Spur“. Als Orientierung dient dem Anbieter die „Customer Experience“ an den verschiedenen Kontaktpunkten. Mit diesem Augenmerk lässt sich sicherstellen, dass wirklich die Kundensicht im Vordergrund steht. Ergänzend sei erwähnt, dass nicht nur traditionelle Vertriebswege, wie der Außendienst oder Geschäfte durch E-Shops ergänzt werden. Sondern auch umgekehrt: Unternehmen mit onlinebasierten Geschäftsmodellen gehen in die traditionellen Vertriebswege, wie Apple, Nespresso, MyMüssli und neu auch Amazon zeigen.

Zweitens, der persönliche Kontakt der Kunden zu Mitarbeitenden mit Vertriebsaufgaben, muss sich langfristig auf besondere Situationen konzentrieren. Das persönliche Aufeinandertreffen wird den Situationen vorbehalten sein, in denen die teure Ressource des persönlichen Verkaufs nötig ist und in denen sie sich auch monetär lohnt, z.B. erklärungsbedürftige, beratungsintensive Verkaufssituationen und Probleme. Damit wird die Aufgabe der Vertriebsmitarbeitenden anspruchsvoller. Zugleich muss es gelingen, einen unterschwelligen Kontakt zu allen Kunden aufrecht zu halten. Das kann man automatisiert durch intelligente Technologien, wie z.B. Emailmarketingkampagnen machen. Damit sind die Möglichkeiten aber bei Weitem nicht ausgeschöpft. Ich empfehle, dass man sich das Verhalten guter Blogger anschaut. Diese schaffen es, über die Sozialen Medien persönliche Beziehungen zu ihren Followern aufzubauen. Warum sollte das vom Prinzip nicht auch durch den Vertrieb machbar sein?

Drittens, Abschlüsse bleiben eine der Hauptaufgaben des Vertriebs. Durch neue und anspruchsvolle Aufgaben entstehen, „Nebenschauplätze“ (Beratung, Service etc.) die wichtig auf dem Weg zum Abschluss sind, die aber auch wunderbar als Ausrede genutzt werden können. Man muss sich fragen, wie es gelingt, die Kunden durch alle Kanäle aktiv zu Abschlüssen zu führen. Dies wird nur gelingen, wenn man die technischen UND die persönlichen Möglichkeiten ausnutzt. Dabei bleibt der klassische „Sales Funnel“ das wichtigste Instrument. Nur werden die Phasen nicht zwingend immer durch den persönlichen Kontakt bestimmt, sondern auch durch andere Möglichkeiten, wie Newsletter, Emails oder gar Social Media Kontakte. Elementar wichtig erscheint mir, dass man das Ziel des Verkaufens nicht aus den Augen verliert und wirklich alle Aktivitäten darauf ausrichtet. Der guten Ordnung halber sei erwähnt, dass es natürlich nicht darum geht, in das alte Hardselling zurückzufallen. Es geht immer nur darum, mit eigenen Leistungen Mehrwerte für Kunden zu schaffen – diese aber auch konsequent zu verkaufen.

Viertens, spielen die Führungskräfte auf diesem Weg in die Zukunft des Vertriebs die größte Rolle. Wer sich als Führungskraft nur auf die Finanzkennzahlen und einige Reportings konzentriert, hat verloren. Nicht nur die Fragen, nach dem Was (machen meine Vertriebsmitarbeitenden?) und dem Wieviel (erreichen sie dabei?), sondern vor alle allem die Frage nach dem Wie (machen sie das?) steht im Mittelpunkt der Führungsarbeit. Man sollte die Ausrichtung auf die Zukunft des Vertriebs bei den Führungskräften beginnen.

Fazit: Natürlich macht die Digitalisierung in Form von neuen Kanälen und Tools auch vor dem Vertrieb nicht halt. Hier gilt es zu prüfen, welche Trends das eigene Unternehmen wann aufgreifen sollte. Der persönliche Verkauf ist und bleibt für die allermeisten Unternehmen sehr wichtig. Aber, um dieser Bedeutung auch zukünftig gerecht zu werden, gibt es viel zu tun. Die Führungskräfte im Vertrieb haben hier die Verantwortung.