Der Veränderungsprozess von einer klassischen Unternehmensorganisation zu einer Sales Driven Company betrifft sämtliche elementare Bausteine des Unternehmens: Strategie, Struktur und Prozesse, Systeme, Kultur und Mitarbeiter. Im letzten Beitrag Eine Frage der richtigen Strategie haben wir die strategischen Implikationen einer vertriebsgesteuerten Organisation diskutiert. In diesem Beitrag soll es um die Frage der Strukturen und Prozesse gehen, die ein Unternehmen mit Sales Drive von einem traditionell agierenden Unternehmen unterscheidet.

Strukturen und Prozesse sind häufig optimierbar

Die Unternehmensstruktur legt den Grundstein für die Spezialisierung, Koordination und Kooperation der einzelnen Unternehmensbereiche. Umso mehr verwundert es, dass viele und sogar erfolgreiche Unternehmen vernachlässigen, dass man durch den systematischen Aufbau und den geschmeidigen Ablauf der Organisation die Basis für die Erlöse und Gewinne auf der Arbeitsebene schafft.

Interessanter Weise haben es weniger erfolgreiche Unternehmen „leichter“ als erfolgreichere – weil ihnen bewusst ist, dass sie Chancen liegen lassen. Ihr Schmerz verrät ihnen, dass Optimierungsdruck besteht. Andere, die verlässlich Gewinne einfahren, wissen zwar, dass sie gut sind – aber nur selten, um wie viel besser sie sein könnten. Entsprechend „doktern“ sie allenfalls am Symptom herum, indem sie zum Beispiel Geld in flächendeckendes Verkaufstraining stecken, statt die wahren Defizite im Struktur-Prozess-Gebilde durch einen mutigen Musterbruch zu beseitigen. Fehler und Optimierungsreserven fallen in guten Zeiten nicht auf – oder interessieren das Management einfach nicht. Dabei wäre es gerade in guten Zeiten aus einer Position der Stärke heraus angeraten, nötige Veränderungen zu identifizieren und anzugehen.

Hat sich das Management aber erst einmal für Sales Drive entschieden, ist der Weg der Strukturen und Prozesse vorgezeichnet. Wichtig ist, dass der Prozessfahrplan so aufgestellt wird, dass jeder Schritt gemessen werden kann. Für die „Freigeister“ und „Künstler“ im Verkauf bedeutet das durchaus weniger Freiheit, tun und lassen zu können, was sie wollen, so lange der Umsatz stimmt. Zum Ausgleich erhalten sie größere Bedeutung und höheres Ansehen als Strategiefaktor im Betrieb.

Der „Sales Funnel“ als Orientierung

Schauen wir uns einmal an, wie eine Prozesskette von der Kundenidentifikation zum Verkauf, auch Sales Funnel genannt, aussehen kann:

Phase I
Im ersten Schritt werden die in Frage kommenden Kunden ausgewählt und qualifiziert. Dies kann durch externe Marktforschung geschehen, durch eine Selektion der bereits im Unternehmen vorhandenen Kontakte und eine Kombination der beiden Verfahren.

Phase II

Wenn die gewählte Kontaktmethode ein Mailing ist, ist üblicherweise auch bekannt, was eine schlechte, zufriedenstellende oder sehr gute Response-Rate ist. Erfolgt das Mailing elektronisch, existieren solche Vergleichswerte natürlich auch für die Öffnungsraten der E-Mails und für die Klicks auf Links, die zum Angebot führen.

Phase III
Kommt ein Kontakt zustande, führt ein Erstgespräch, häufig telefonisch, zu einem vertieften Interesse und zur Vereinbarung eines echten Verkaufsgesprächs.

Phase IV
In diesem Zweitgespräch kommt es darauf an, den Interessenten zum Einholen eines Angebots zu bewegen – professionelle Verkäufer ermitteln hier bereits, ob bei Gefallen der Kauf sicher oder zumindest wahrscheinlich ist.

Phase V
In der Folge erhält der Kunde sein Angebot und sagt im Idealfall zu – oder auch ab. Hie können  natürlich auch diverse Termine stattfinden.

Phase VI
Der Kunde hat seinen ersten Umsatz gemacht. Der Grad seiner Zufriedenheit bestimmt darüber, ob er ein Stammkunde wird oder nicht.

Ein typischer verkaufs- und kundenorientierter Prozess beginnt mit der Selektion von Zielkunden. Darauf folgt vielleicht ein themenspezifisches Mailing, um Neukunden zu adressieren und eine telefonische Terminvereinbarung zu treffen. Weiter geht es mit einem ersten Besuch, einem oder mehreren Folgegesprächen, Angebot und Abschluss. Andere vertriebsorientierte Kernprozesse könnten sich mit dem Launch von Innovationen, mit dem Ausschöpfen von Cross-Sellingpotenzialen usw. beschäftigen. Die Prozesse und ihre Phasen bilden das Gerüst der Strukturen.

In einen solchen Prozess sind oft auch andere Bereiche eingebunden, die nicht direkt dem Vertrieb zugeordnet sind. Neben Außendienst, Innendienst (oder „Inside-Sales“) und Callcenter können dies das Marketing sein, das Produktmanagement, der Solution Sales und andere. Diese können dann systematisch daraufhin strukturiert werden, welcher Bereich in welcher Phase des Prozesses den Lead hat, wo Schnittstellen existieren oder geschaffen werden müssen und wie und wo man zusammenarbeiten muss.

Allein die Tatsache, diese Prozesse so zu beschreiben und nachzuhalten, führt dazu, dass die Mitarbeitenden quasi gezwungen sind, sich abzustimmen, um Schnittstellen zu Nahtstellen zu machen, die kooperieren statt nur zu koexistieren. Diese Art von Prozessorientierung mit dem Ziel, Abschlüsse zu generieren und Kundennutzen zu schaffen, ist die Basis für systematische Optimierung und systematische Zusammenarbeit im Unternehmen.

Ist der Sales Funnel nicht mehr zeitgemäß?

In letzter Zeit kommt zuweilen Kritik am so genannten „Sales Funnel“ auf. Die heutigen „Customer Journeys“ seihen nicht linear und man könne nicht derart statisch vorgehen, lauten die Argumente. Ich halte diese Diskussion für spannend, aber wenig zielführend. Die hier gemeinten Prozesse sind nicht statisch und in Stein gemeisselt, sondern dienen nur der Orientierung. Es geht um systematische Vorgehensweisen und vor allem um das „Dranbleiben“ in den Prozessen durch die unterschiedlichen Beteiligten. Und zumindest dafür habe ich noch keine Alternative zu den hier beschriebenen Prozessen gesehen.

Naturgemäß können wir den vollen Umfang des überaus komplexen Vorgehens nicht in einem einzigen Blogbeitrag beschreiben. Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, merke ich Sie gern für mein neues Buch Sales Drive vor, das in der zweiten Jahreshälfte im Springer Verlag erscheinen wird. Ich freue mich auf Ihr Feedback und Ihren Kontakt.