Liebe Frau Vöster-Alber, meine sehr verehrten Damen und Herren,

wenn einem Professor und Präsident einer Business School, die Aufgabe einer Festrede ohne Titelvorgabe gestellt wird, klingt das zunächst recht trivial. Denn, so wusste schon mein wissenschaftlicher Vater in St.Gallen, Prof. Christian Belz „Immer wenn ein Professor auf eine Gruppe von Menschen trifft, fühlt er sich sofort aufgefordert, das Wort zu ergreifen.“ Wenn allerdings der zu vergebende Preis so renommiert ist, wie der Preis Soziale Marktwirtschaft, wenn die vergebende Institution so angesehen ist, wie es die Konrad-Adenauer-Stiftung ist, wenn das Publikum so hochkarätig ist, wie Sie es sind und – vor allem – die Preisträgerin von mir so geschätzt ist, wie Brigitte Vöster-Alber, dann ist das eine große Ehre. Ich danke sehr herzlich für die Einladung.

Ich habe mir in den letzten Wochen einige Gedanken gemacht und die möchte ich heute mit Ihnen teilen: Mein Thema lautet:

„Unternehmer und Unternehmertum in der sozialen Marktwirtschaft – Eine kritische Reflexion.“

Diese Festrede ist in drei Teile strukturiert. Und vielleicht sagen Sie jetzt: Oh, drei Teile? Ein Professor, der sich kurzfassen kann. Aber ich muss Sie warnen: Sie sollten meine Fähigkeit zur Feingliederung nicht unterschätzen. Die drei Teile lauten:

  1. Unternehmer, die Motoren des Fortschritts
  2. Unternehmertum in unserer sozialen Marktwirtschaft
  3. Junge Unternehmer – ein kritischer Ausblick

 

  1. Unternehmer, die Motoren des Fortschritts

Wenn ich hier von Unternehmern spreche, meine ich die Menschen, also Damen und Herren, die ein Unternehmen erfolgreich planen, gründen und führen. Neben diesen Aufgaben ist für mich das entscheidende Kriterium, dass Unternehmer dabei ein persönliches Risiko eingehen. Und das kann man nicht hoch genug wertschätzen. Genau das vermisse ich aber zuweilen! Damit sie schon mal wissen, in welche Richtung ich später ziele, sei an dieser Stelle folgende Anekdote erzählt. Auf einem Wahlplakat der Linken ist zu lesen: „Teilen macht Spaß: Millionärssteuer! Die Linke“. Darunter ein weiteres Plakat, das nachträglich angebracht wurde: „Wollt Ihr noch mehr Spaß? Teile meine Geschäftsrisiken, Kredite und Investitionskosten. Absender: Der Millionär, der bereits 50% Steuern zahlt.“ Ich erlaube mir diese politisch geprägte Anekdote und möchte sie völlig unpolitisch verstanden wissen. Es geht mir weder um Parteien, noch um Millionäre, sondern, um die dahinterstehende Geisteshaltung, die, so meine These, unsere Gesellschaft derzeit prägt. Ich glaube, man kann sich nicht mit dem Thema Unternehmertum beschäftigen, ohne die bahnbrechenden Erkenntnisse des österreichischen Wirtschaftswissenschaftlers Joseph Schumpeter zu studieren. Vielleicht ist Joseph Schumpeter nicht allen von Ihnen bekannt, aber er galt als zielstrebig und ehrgeizig. Er sagte einst: „Mein Bestreben war es stets, der größte Ökonom der Welt, der größte Reiter Österreichs und der beste Liebhaber Wiens zu werden – Mit den Pferden hat es allerdings nicht so gut geklappt.“ Ich erwähne das hier nur, um anzudeuten, dass auch Professoren zielstrebig, ehrgeizig und wettbewerbsorientiert sein können. Eine zentrale Aussage seines Werkes lautet: „Der Unternehmer ist der Angelpunkt, um den sich alles dreht. Unternehmer – ganz gleich, ob in großen oder kleinen, alteingesessenen oder neu eröffneten Firmen tätig, sind die treibenden Kräfte der Innovation und der schöpferischen Zerstörung. Ihre Vorhaben sind die Quelle neuer Arbeitsplätze, höherer Einkommen und des allgemeinen wirtschaftlichen Fortschritts.“ Es geht also um Innovation und um den Terminus schöpferische Zerstörung. Wenn wir nur mal die Begriffe reflektieren. Innovation und schöpferische Zerstörung, dann kommen wir vermutlich rasch zu der Erkenntnis: Innovation klingt eigentlich immer gut. Innovation ist sexy. Innovation ist Dynamik. Innovation ist ein Motor. Mögliche positive Assoziationen lassen sich beliebig erweitern. Ich vermute, da gibt es auch bei Ihnen kaum Widerstand. Und es zeichnet die Unternehmerin oder den Unternehmer aus, dass sie oder er die Innovation antreibt, das Neue sucht, etwas unternimmt. Der Unternehmer als Gegenpol zum Unterlasser. Dagegen klingt die zweite Facette, die schöpferische Zerstörung, natürlich schon gewöhnungsbedürftig. Allein die Kombination von Schöpfung und Zerstörung ist ein spannungsgeladenes Wortpaar. Wenn man sich mit der ökonomischen Literatur beschäftigt, finden sich die Wurzeln dieses Konstruktes schon bei Marx und seinem kommunistischen Manifest. Während Marx und Wirtschaftswissenschaftler, wie Werner Sombart, sich in ihren Arbeiten eher der Makroebene der Wirtschaft widmeten, fokussierte sich Schumpeter bei seiner schöpferischen Zerstörung auf den Unternehmer und seine Rolle im Fortschritt.

Was meinte Schumpeter nun mit schöpferischer Zerstörung? Er meinte, das ständige kreative Schaffen von Neuem, mit denen man eben auch einen Teil der vorhandenen Unternehmen oder auch bestehende Produkte wieder zerstört. Und so weh das manchmal tun kann: Da werden Unternehmen und Produkte zerstört, die vielleicht lange Zeit erfolgreich waren. Vielleicht auch solche, die man im Lauf der Zeit regelrecht liebgewonnen hat. Man kann sich am Terminus schöpferische Zerstörung reiben, aber letztendlich ist es das, was wir täglich erleben: Nokia wird von Apple verdrängt. Tesla zwingt, die behäbige deutsche verbrennungsmotorverliebte Automobilindustrie in die Elektromobilität. Der Transportdienst Uber lässt traditionelle Taxiunternehmer schwitzen und die Deutsche Bank … na, das ist ein anderes Thema. Aber Sie sehen: Schon sind wir von der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie in der täglichen Wirtschaft mit immensen Folgen für unser aller Wohl angekommen. Der Unternehmer oder die Unternehmerin treibt die Dinge an und muss – wenn sie oder er nachhaltig gut ist, teilweise auch selbst geschaffene Leistungen wieder zerstören, um wettbewerbsfähig und erfolgreich zu bleiben. Das muss man erst mal schaffen! Diese persönliche Fähigkeit zu Innovation und den Mut zur schöpferischen Zerstörung, muss man um so höher anerkennen, je mehr wir uns die menschliche Psyche in Gänze bewusst machen. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Nie waren wir bei diesem Thema – den neuen Kenntnissen der Neurowissenschaften sei Dank – so weit, wie heute: Unser Gehirn ist so angelegt, dass Sicherheit und Gewohnheit geschätzt werden, weil sie Körper und Geist entlasten. Sicherheit und Gewohnheit sorgen aber nicht für Fortschritt und Wachstum, sondern für Stillstand und Bewahren. Selbst, wenn wir später bei einem Glas Wein in eine philosophische Debatte über die Grenzen des Wachstums einsteigen wollen, möchte ich es an dieser Stelle verkürzen und etwas sagen, dass ich meinen Kunden immer sage: Man kann in wenigen Nischenmärkten bewusst klein bleiben und sich gewissermaßen heimelig einrichten. Für die allermeisten Unternehmen bedarf es aber einer Wachstumsstrategie, um langfristig erfolgreich zu sein. Und dazu brauchen wir eben die Fähigkeit der Innovation und der schöpferischen Zerstörung. Und das sind die entscheidenden Fähigkeiten echter Unternehmerpersönlichkeiten.

Zum Abschluss dieses Abschnitts möchte ich noch darauf hinweisen: Themen wie Team und Führung sind derzeit in aller Munde. Natürlich sagen wir heute nicht, Führung sondern Leadership. Hier besteht die hohe Kunst darin, die Intelligenz des Schwarms also ganzer Belegschaften und zumindest kleiner Teams zu wecken und zu beflügeln. Aber nach meiner Erfahrung stelle ich nüchtern fest: Spitzenleistungen und Außergewöhnliches werden in aller Regel von einzelnen Menschen initialisiert und angetrieben. Diese scharen die richtigen Unterstützer um sich. Aber am Ende sind es nach meiner Erfahrung Einzelne, die unternehmen, die Risiken eingehen, die investieren und die antreiben… Und das führt uns zum zweiten Punkt:

 

  1. Unternehmertum in unserer sozialen Marktwirtschaft

In einem Artikel der „Zeit“ vom 06. Mai 1954 mit dem Titel: „Was heißt Unternehmer sein?“ heißt es u.a.: „Unternehmer sein heißt aber stets auch, in einer Koordinierungsfunktion zu stehen. Einst bedeutete dies lediglich, die Produktivität des Betriebes und die Rentabilität des Unternehmens am wirkungsvollsten zu kombinieren. Heute kommt zur Rentabilität und Produktivität die Humanität hinzu. Unternehmer ist also heute der Mann (oder die Frau), die oder der Rentabilität, Produktivität und Humanität auf einen fruchtbaren Nenner bringen muß.“ Dem Unternehmertum ist also auch eine humanitäre Komponente zu eigen. Und damit knüpft es wunderbar an die soziale Marktwirtschaft an.

Nach Alfred Müller-Armack ist die Soziale Marktwirtschaft ein gesellschafts- und wirtschaftspolitisches Leitbild mit dem Ziel, „auf der Basis der Wettbewerbswirtschaft die freie Initiative mit einem gerade durch die wirtschaftliche Leistung gesicherten sozialen Fortschritt zu verbinden.“ Es bedeutet natürlich, Eulen nach Athen zu tragen, wenn ich hier und heute daran erinnere, dass dieses Konzept, das maßgeblich von Müller-Armack entwickelt und von Ludwig Erhard in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg implementiert wurde, als echtes Musterbeispiel deutscher Errungenschaften gilt. Gerade, weil es so selbstverständlich ist, erlaube ich mir die Anmerkung, dass ich hoffe, dass wir uns dieses Konzept im Zuge der Europäisierung nicht wieder verwässern und in Frage stellen lassen, wie wir das in den letzten Jahren bei anderen Themen z.B. in Bildungs- und Stabilitätsfragen getan haben. Zurück zu den deutschen Stärken: Eingebettet in das Leitbild der sozialen Marktwirtschaft hat das Unternehmertum in Deutschland einen wahren Siegeszug hingelegt. In dessen Kern steht heute die mächtige Säule der deutschen Wirtschaft: Der Mittelstand. Ich erspare uns heute die Details, welche Unternehmen nun dazu gehören, beziehe mich aber auf kleine bis mittelgroße Unternehmen, die sich durch die Einheit von Eigentum, Leitung, Haftung und Risiko auszeichnen. Dieser Mittelstand ist selbst international bekannt und bewundert und hat es mit der Bezeichnung „Germany’s Mittelstand Companies“ sogar zu einer anglizistischen Beschreibung gebracht. Ein echter Exportschlager! Nun leistet dieser unternehmerische Mittelstand, eingebettet in die soziale Marktwirtschaft Großartiges für unser Land und seine Menschen. Dazu hat Wolfgang Clement, als Vorsitzender des Kuratoriums der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, ein schönes Buch mit vielen spannenden Beiträgen verschiedener Autoren herausgegeben: „Das Deutschland Prinzip: Was uns stark macht.“ Ich kann die entspannte Lektüre dieses plakativen und abwechslungsreichen Werkes nur empfehlen, fasse aber für Sie die Erfolgsfaktoren zusammen: Deutschland wird getragen vom Mittelstand. Rund 99 Prozent aller umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen gehören in diesen Kreis. Sie beschäftigen 60 Prozent aller sozialversicherten Beschäftigten, erwirtschaften über 35% aller Umsätze und bilden über 80 Prozent aller Auszubildenden aus. So weit zu den Zahlen. Hinzu kommt eine – ich sage mal – in aller Regel funktionierende Sozialpartnerschaft. Eine – auch wenn immer wieder etwas anderes behauptet wird – sehr starke Bildungslandschaft, stabile politische und rechtliche Rahmenbedingungen und einiges mehr.

Das alles hört sich stimmig und abgestimmt an. Aber in meiner Wahrnehmung hat seit einiger Zeit ein Prozess der schleichenden Zersetzung dieses starken Systems begonnen. Das deutsche Wirtschaftswunder nach dem zweiten Weltkrieg, die Metamorphose vom kranken Mann Europas zur führenden europäischen Nation, die wundersame Genesung unserer Wirtschaft nach der letzten Wirtschaftskrise, haben – so scheint es mir – eine Art Heldenmythos erschaffen. Ich glaube, wir überschätzen uns. Vielleicht sind wir auch einfach zu zufrieden und zu satt und übersehen, dass jedes Unternehmen sich immer wieder neu erfinden muss. Nur so kann es seinen Beitrag für Wirtschaft und Gesellschaft der sozialen Marktwirtschaft erbringen. Das sollte man nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Denn nicht jede Zerstörung ist zugleich schöpferisch! Und da ist er wieder, der Bedarf an Unternehmerinnen und Unternehmern, die unternehmen und nicht unterlassen. Und wenn ich mich dann zurücklehne und mir anschaue, wie diese Leistung von der Politik und der Gesellschaft gewürdigt wird, dann wird mir plötzlich etwas bange…

Vielleicht bin ich übersensibilisiert. Ich frage mich z.B.:

  • Ist es normal, dass es mehr interessiert, wer in der neuen Liste der reichsten Menschen in Deutschland an welchem Platz steht, als die Frage, was diese Menschen täglich leisten?
  • Ist es normal, dass man bei Schräglagen von Unternehmen – die im Prozess der schöpferischen Zerstörung eben vorkommen (müssen) – gegen Sanierungsmaßnahmen protestiert, als ginge es um den Gewinn einer Debatte und nicht um den Fortbestand eines Unternehmens?
  • Ist es normal, dass man Mäzenen, die sich für die Gesellschaft engagieren, sofort unterstellt, nur Steuern sparen zu wollen und anstelle der Dankbarkeit reflexartig vermutet wird, dass diese finanziellen Spielräume ja sicher irgendwo abgeknapst worden sind.
  • Ist es normal, dass Unternehmerinnen und Unternehmer eher als Glückspilze angesehen werden, ohne dass man sieht, wie viel Arbeit das tägliche Tun macht und welche Rückschläge und Risiken dafür in Kauf genommen werden? Dazu ein Zitat aus dem Buch „Wege zum Erfolg: Südwestdeutsche Unternehmen“ herausgegeben durch Willi A. Boelcke. Da lesen wir im Abschnitt über die Freudenbergs: „Der Werdegang des Unternehmens stellt bei allem Glanz der heutigen Zahlen keineswegs eine reine Erfolgsgeschichte dar, haben die Götter doch vor dem Erfolg den Schweiß gesetzt. Die Unternehmensgeschichte ist geprägt von Höhen und Tiefen, von Zäsuren und Überlebenskämpfen, von zupackend genutzten Chancen und organisatorischer Flexibilität, von finanziellen Nöten, wagemutigen Entscheidungen und sozialer Verantwortung.“

Ich frage mich wirklich, ob dieses Land, den Unternehmerinnen und Unternehmern, dem Mittelstand die Wertschätzung und Unterstützung entgegenbringt, die sie verdienen? Und ich habe meine Zweifel. Ich leitete diesen Abschnitt ja mit dem Hinweis auf die Humanität des Unternehmers ein. Ich behaupte, dass die typischen Mittelständler ihr Geschäft immer auf einer guten Beziehung zu ihren Mitarbeitenden aufgebaut haben. Das hat auch Hermann Simon in seinem Buch über die so genannten Hidden Champions betont, die ihre Stärke u.a. auf Unternehmenskultur, Qualifikation, Weiterbildung, Kreativität und weitere Faktoren der Human Ressourcen aufbauen.

Ich behaupte, wir können heute besseres Management und bessere Führung im Mittelstand beobachten, als in den meisten Großunternehmen. Das sollten wir wieder mehr schätzen und wertschätzen. Denn – und auf diesen Satz bin ich ein wenig stolz: Das Soziale in der Marktwirtschaft muss aus den Margen der Marktwirtschaft finanziert werden!

Das Soziale in der Marktwirtschaft muss aus den Margen der Marktwirtschaft finanziert werden!

Und wir sollten denjenigen, die dafür sorgen, dass immer genügend Margen da sind, den Respekt zollen, der ihnen gebührt. Und damit, auf zum dritten und letzten Teil …

 

  1. Junge Unternehmer – ein kritischer Ausblick

Die eine Sache ist es, diejenigen bei Laune zu halten und zu unterstützen, die heute ihren Beitrag als Unternehmer leisten. Die andere besteht darin, dafür zu sorgen, das es auch genügend junge Unternehmer gibt. Da würde ich gerne mit ihnen für einen Moment etwas genauer hinschauen. Auf der einen Seite gibt es die Familienunternehmen, die das auch bleiben wollen, ein Unternehmen der Familie. Anspruchsvoll genug, aber möglich. Natürlich kennen sie sicher alle das Zitat von Otto von Bismarck „Die erste Generation schafft Vermögen, die zweite verwaltet Vermögen, die dritte studiert Kunstgeschichte, und die vierte verkommt vollends.“ Das mag es geben. Es gibt aber auch viele andere Beispiele, in denen es gelingt, das Unternehmen über viele Generationen erfolgreich zu führen und weiter zu entwickeln. Aber, nachdem zuvor Gesagten über die Unternehmerpersönlichkeit, ist klar, dass das eben auch eine sehr anspruchsvolle Aufgabe ist, der nicht jede oder jeder gewachsen ist. Und sie reagieren vermutlich reflexartig und stellen fest: Und wenn es nicht reicht, findet wieder was statt? Die schöpferische Zerstörung, aber eher durch andere und nicht durch das Unternehmen selbst. Dazu nochmals Willi A. Boelcke: „… Familienunternehmen, die als solche weiterleben wollen, bedürfen des Evolutionskontinuums. Gerade Familienunternehmen, die auf ein respektables Alter zurückblicken, leben nicht vom Stolz und der Freude über das Altsein. Zur Kontinuität bedarf es der den notwendigen Wandel einschließenden Lebensleistungen aufeinanderfolgender Generationen. Die gegenwärtigen, wettbewerbsfähigen Unternehmen gleichen nicht mehr dem bewunderten Abbild aus historischer Zeit.“

Und dann gibt es ja neben der Frage der Nachfolge innerhalb von Familienunternehmen noch den Hype um die Themen StartUp und Entrepreneurship. Da gibt es Szenen von Gründern, Financiers, Business Angels. Da gibt es Serial Entrepreneure, bei denen nicht das Lebenswerk zählt, sondern die Anzahl der gegründeten Unternehmen. Da gibt es Unternehmen, die mehr als eine Mrd. Dollar wert sind und die man als Unicorn bezeichnet. Unicorn sind Einhörner und Einhörner sind Fabelwesen. Das kommt aber gar niemanden komisch vor, sondern das ist schick. Im Fernsehen wagen sich sogar junge Unternehmer – oder solche die es werden wollen – in die „Höhle der Löwen.“ Natürlich handelt es sich nicht um echte Löwen, sondern um mehr oder weniger erfolgreiche und vor allem publikumssüchtige Personen, die Ihre Fähigkeiten als in den Dienst des Fernsehens – ach Entschuldigung! – die ihre Fähigkeiten in den Dienst junger Gründer stellen. Die Sendung ist die erfolgreichste Eigenproduktion des Senders VOX und hat regelmäßig über 2,5 Mio Zuschauer.

Eine junge Kollegin von mir beschäftigt sich gerne und intensiv mit der StartUp Szene in den Metropolen, wie London, Stockholm und Paris – Berlin ist da übrigens schon zurückgefallen… Und diese junge Kollegin schwärmt dann immer vom Bohemian Lifestyle der Gründerszene. Das musste ich erst mal recherchieren. Kurz erläutert: Bohème eine Art Subkultur von Intellektuellen mit vorwiegend schriftstellerischer, bildkünstlerischer und musikalischer Aktivität oder Ambition und mit betont un- oder gegenbürgerlichen Einstellungen und Verhaltensweisen. … Diese Art zu leben ist vor allem in Künstlerkreisen, wie zum Beispiel bei Malern, Dichtern und Literaten, aber auch bei Studenten verbreitet. Der Unternehmer quasi als Künstler. Unternehmertum als Kunstform.

Natürlich gibt es auch Positives am Trend „Entrepreneurship“. Ich versuche nur, vor der zu euphorischen Glorifizierung dieses Themas zu warnen. Es lohnt sich, genauer hinzusehen und seriöse Geschäftsmodelle von zutiefst überzeugten und engagierten jungen Unternehmern, gerade im Technologie- und IT-Bereich, genau zu prüfen und gezielt zu fördern. Die schaffen es nämlich, an manchen Stellen auf unkonventionelle Art und Weise Gas zu geben und ermöglichen damit Innovationen, die innerhalb der starren Strukturen traditioneller Unternehmen, und da schließe ich manchen Mittelständler ein, gar nicht möglich sind. Herbert Hainer, der dienstälteste DAX Vorstand sagte mir in einem Gespräch: „Die wirklich innovativen Dinge müssen Sie extern machen, sonst klappt das nicht.“ Mir fehlt in der euphorischen Stimmung um die Themen StartUp und Entrepreneurship, der Habitus des schwäbischen Unternehmertyps, die oder der durch Tugenden wie Fleiß, Beharrlichkeit, Kompetenz und Verantwortung, ein echtes Lebenswerk schaffen möchte. Oder gar ein echtes Generationswerk. Diese Art von Unternehmern, die gerade „schwäbische Unternehmer“ genannt habe, gibt es natürlich auch in anderen Regionen Deutschlands auch hier in Hessen…

Nach diesem kleinen StartUp Bashing und der Feststellung, dass StartUps und Entrepreneure ja durchaus irgendwie gerade in Mode sind, lohnt sich noch ein Blick auf die junge Generation, die so genannte Generation Y. Menschen der Generation Y sind heute zwischen Anfang 20 und Mitte 30 Jahre alt. Das englische „Y“ für Ypsilon wird auch gerne mit dem englischen Why für Warum gleichgesetzt, weil diese Generation immer nach dem Warum fragt. Sie sind zahlenmäßig durch die geburtenschwachen Jahrgänge eher wenige, was sich auf dem Arbeitsmarkt auch im vielzitierten Fachkräftemangel ausdrückt. Sie sind gut behütet und in relativem Wohlstand aufgewachsen. Gerne spricht man in diesem Zusammenhang von den Helikoptereltern, die immer über ihnen schwebten, um sie vor den Gefahren des Lebens fernzuhalten. Aber auch diese Generation rauscht dann irgendwann in die Arbeitsmärkte und dazu gibt eine ganz spannende Studie von Signium International und dem Zukunftsinstitut. Der Titel: „Generation Y: das Selbstverständnis der Manager von morgen.“

Zu den charakteristischen Merkmalen der jungen arbeitenden Menschen gehören z.B. lose Netzwerke, hohe Technologieaffinität (nicht unbedingt im ingenieurwissenschaftlichen Sinne, sondern in Bezug auf digitale Tools), Freiheitsliebe und Offenheit. Es verwundert uns daher wenig, wenn auf die Frage: Welche Dinge sind für Sie besonders wichtig und erstrebenswert? Die beiden am meisten genannten Aspekte sind:

„Unabhängigkeit, sein Leben selbst bestimmen zu können“ und

„Spaß zu haben, das Leben zu genießen“.

Fairerweise muss man sagen, dass Nr. 3 lautet: „Einen sinnvollen, erfüllenden Job zu haben.“

Worauf ich hinaus möchte ist: Ich denke, hier entsteht eine Kultur – des Bohemian Style Arbeitslebens, das ich für kritisch halte. Übrigens ist der attraktivste Arbeitgeber der Generation Y der öffentliche Dienst. In dieser Studie zieht es 17% der Gen Y dorthin, nach einer Studie von Ernest & Young sogar 1/3 der Studierenden dieser Gruppe. Bei den Damen sind es gar 42%.

Dazu kommentierte die Welt am Sonntag vom 11.09.2016: „Ein Job im öffentlichen Dienst? Beamter werden? Was einst als bieder galt, ist für junge Akademiker mittlerweile hoch attraktiv. Die meisten Arbeitsbedingungen in der StartUp Szene tragen ihren Teil dazu bei. Ein Ypsiloner, der sich nach erfolgloser Tätigkeit in StartUps auf den neuen Job im gehobenen Dienst des Bundes freute, berichtete: „Das waren alles junge StartUps, die alle Leute so cool finden. Unternehmen, in denen eigentlich niemand von irgendwas richtig Ahnung hat und in dem alle nur versuchen, dem Kunden irgendwelche nutzlosen digitalen Dienstleistungen anzudrehen.“ Problematisch ist nur, dass im öffentlichen Dienst, selten die Margen und Wertschöpfungen erzielt werden, die es für die Finanzierung der sozialen Marktwirtschaft braucht.

Vom Sozialen dieser Internet-Marktwirtschaft spricht übrigens kaum jemand. Ganz im Gegenteil. Beispielhaft der Text einer Email von Oliver Samwer, von den legendären Samwer Brüdern, ihres Zeichens deutsche Internetpioniere, an Mitarbeitende. Er selbst sei bereit, aber er verlange auch von seinen Leuten vollen Einsatz, Aggressivität, deutsche Aufmerksamkeit fürs Detail. Und: Die Zeit für den „Blitzkrieg“ müsse genau gewählt sein. Für die verschiedenen Länder – Indien, Türkei, Australien, Südafrika, Südostasien – erwarte er detaillierte Pläne, „unterschrieben mit Blut“. Seine Mail aus dem Jahr 2011 schloss er mit den Worten: „Ich bin in Sachen Internet der aggressivste Typ auf der Welt. Ich würde sterben, um zu gewinnen, und ich erwarte dasselbe von euch!“ Das sollte sich mal ein solider mittelständischer Unternehmer erlauben.

 

Ich komme zu einem Fazit:

Der wirtschaftliche Erfolg unseres Landes beruht auf dem deutschen Mittelstand, der durch echte Unternehmerinnen und Unternehmer mit viel persönlichem Einsatz und Entbehrungen, mit Kompetenz und verantwortungsvoller Unternehmensführung getragen wird. Er beruht vielfach auf den Schultern von Unternehmerfamilien, die das Unternehmen wichtiger nehmen, als die Familie und persönlichen Interessen.

Das wird auch zukünftig der Fall sein, wenn die soziale Marktwirtschaft als Rahmen nicht nur für die Allgemeinheit sorgt, sondern die richtigen Rahmenbedingungen für Unternehmerinnen und Unternehmer mit den klassischen Tugenden des Mittelstandes setzt. Wir sollten offen sein, für die dynamischen jungen Entrepreneure, aber eben auch wachsam vor unreflektierter Euphorie, die zu Blasen führen, die wir lieber nicht mehr platzen sehen wollen. Und wir sollten dafür Sorgen, dass Unternehmertum in Deutschland den Menschen und insbesondere der Generation Y – Freude macht und gewertschätzt wird. Damit wir auch zukünftig die Spielräume für das soziale in der Marktwirtschaft haben, die unser Land so stark macht,

Ich freue mich, dass eine waschechte Vertreterin dieser Art des Unternehmertums heute ausgezeichnet wird. Sie steht für ein Familienunternehmen mit langer Tradition und Zukunft. Mit einer Familie im Hinter- oder auch Vordergrund, die sich ebenfalls in den Dienst des Unternehmens stellt und mit Kindern, die bereit stehen oder bereits Verantwortung innehaben.

Liebe Frau Vöster-Alber, Ihnen meinen herzlichsten Glückwunsch zum Preis für soziale Marktwirtschaft, der gesamten Familie und dem Unternehmen alles, alles Gute!

Meine sehr verehrten Damen und Herren: Vielen Dank!