In seinem Buch, Lady Windermeres Fächer, schrieb der irische Schriftsteller Oscar Wilde: „Heute kennt man von allem den Preis, von nichts den Wert.“ Das ist zwar lange her, aber dieser beklagenswerte Zustand hat sich im heutigen Geschäftsleben verfestigt. Wer kennt nicht das ewige und regelmäßig wiederkehrende Klagen der Vertriebsmannschaft über zu hohe Preise des eigenen Unternehmens im Vergleich zur Konkurrenz. Kunden, für die am Ende doch nur wieder die niedrigsten Preise zählen, sind in diesen Gesprächen die Regel. Die Situation scheint ausweglos – ist sie aber nicht.
Zunächst ist festzuhalten und zu respektieren, dass ein niedriger Preis für fast jeden Kunden attraktiv ist. Eine Ausnahme bildet der so genannte „Veblen Effekt“ (auch „Snob Effekt“), bei dem Güter aus Prestigegründen bevorzugt werden, wenn der Preis hoch ist. Alle „normalen“ Kunden werden bei vergleichbaren Produkten, den niedrigeren Preis vorziehen. Und damit zeigt sich auch schon des Pudels Kern: Das Problem sind die „vergleichbaren Produkte“. Wenn ein Unternehmen keine Differenzierungsfaktoren in seinen Leistungen aufweisen kann, ist der Kampf um den niedrigeren Preis vorprogrammiert und sollte niemanden überraschen. Es ist eine strategische Entscheidung, ob ein Unternehmen sich in solchen Geschäften bewegen möchte und langfristig auch kann. Als Preisanbieter lebt nur das Unternehmen gut, das auch die entsprechend niedrige Kostenstruktur aufzuweisen hat. Alle anderen müssen sich differenzieren.
Die Differenzierung kann auf vielfältige Weise erfolgen, muss aber zwingend aus subjektiver Sicht des Kunden beurteilt werden. Kunden zahlen für Nutzen und der ist immer subjektiv. Nutzen ist wertvoll und damit ist der Wert einer Leistung auch immer subjektiv. Um diesen Wert zu verstehen und um ihn vielleicht auch in einer konkreten Situation, z.B. einer Verhandlung, auch in einen Preis umsetzen zu können, muss ich mich intensiv mit dem Kunden und seinen Bedürfnissen beschäftigen. Im Business to Business Geschäft, bei dem die Preiseinkäufer immer noch zu dominieren scheinen, muss ich mich als Anbieter mit den Prozessen des Kunden beschäftigen, um den Nutzen und damit den Wert meiner Leistungen richtig einschätzen zu können. Und plötzlich erscheint die Herausforderung des Preismanagements als Urdisziplin des Marketings. Um Produkte oder Services zu kreieren, die sich vom Wettbewerb differenzieren, und um deren Preis richtig festzusetzen und zu verteidigen, brauchen wir eine detaillierte Kundenkenntnis. Nur der Verkäufer, der seine Vorteile genau kennt, kann souverän anbieten, verhandeln und abschließen. Dazu gehört in aller Konsequenz die aus meiner Sicht wichtigste Kernkompetenz: Nein sagen können! Nein sagen können, zu bestimmten Kunden und ihren Wünschen, wenn sie nicht in unsere Strategie passen. Nein sagen können, zu bestimmten Preisen, die der Wettbewerb angeblich bietet und die nicht den eigenen Werteinschätzungen entsprechen. Meine Prognose: Ein souveränes NEIN gegenüber bestimmten Kunden und ihren gierigen Preisforderungen, erzeugt viele kaum noch für möglich gehaltene JAs des Kunden zum Kaufangebot.