Seit vielen Jahren beschäftige ich mich in Forschung, Beratung und in der Entwicklung von Vertriebsmannschaften mit dem Thema „Spitzenleistungen“. Wer erreicht sie im Vertrieb? Was zeichnet diese Menschen aus? In welcher Art von Unternehmen arbeiten sie? Wie werden sie geführt? Unter dem Titel „Excellence in Sales“ haben wir z.B. vor einigen Jahren eine große internationale Erfolgsfaktorenstudie durchgeführt. Es wurde deutlich, dass die Spitzenunternehmen der Studie sich in den folgenden Punkten vom Durchschnitt unterschieden:

  1. Der Vertrieb wurde als strategisches Instrument im Wettbewerb erkannt. Er wird als Wettbewerbsfaktor für den Unternehmenserfolg von der Unternehmensleitung priorisiert und als Investition gesehen. Das Image des Vertriebs ist in diesen Unternehmen gut. Ich bezeichne das als „Sales Drive“.
  1. Die Unternehmen arbeiten systematisch an der Verbesserung ihrer Prozesse und verpflichten die Vertriebsmitarbeitenden zur Verwendung von Tools, wie Account Pläne und Kundenstrategien. Ich nenne das „Sales Engineering“ weil der Vertrieb, wie andere Funktionen des Unternehmens auch, systematisch optimiert wird. Leider ein Thema, das viele Unternehmen nicht konsequent umsetzen.
  1. Die Anforderungsprofile für viele Vertriebsaufgaben, egal ob einfacher Außendienst oder komplexes Key Account Management, sind in den letzten Jahren immer anspruchsvoller geworden. Zugleich ist es immer schwieriger geworden, gute und passende Mitarbeitende zu finden. Diesen Herausforderungen muss man mit Professionalität in der Rekrutierung und Entwicklung der Vertriebsmitarbeitenden begegnen. Hier geht es um „Sales Development“.

Neben diesen organisatorischen Themen, widmeten wir uns in verschiedenen Unternehmen der Frage, was die „High Performer“ im Vertrieb von den durchschnittlichen Mitarbeitenden unterscheidet. Dazu gehören nach unserer Erkenntnis die folgenden Eigenschaften:

  • High Performer machen mehr Kontakte, d.h. sie sind fleißiger.
  • High Performer konzentrieren sich auf die potenzialstärksten Kunden, d.h. sie arbeiten systematischer und fokussieren ihre Kraft.
  • High Performer bringen mehr Kunden von einer in die nächste Phase des Kaufprozesses und sind auch erfolgreicher im Abschluss, d.h. sie beherrschen die nötigen Techniken.
  • High Performer schaffen es, andere Mitarbeitende ihres Unternehmens (z.B. aus dem Backoffice) für sich zu gewinnen und sie werden besser von den Kolleginnen und Kollegen unterstützt, d.h. sie haben gewisse Führungsfähigkeiten.

Bei diesen Untersuchungen stießen wir bisher nicht explizit auf das Thema der Vertriebsführung. Ich meine aber, dass die Vertriebsführung sehr elementar für den Erfolg ist. Ich unterscheide zwischen „Pflicht“ und „Kür“ in der Vertriebsführung.

Im Bereich der Pflicht geht es darum, die Standards, von denen wir wissen, dass sie die Ergebnisse der Mannschaft steigern, durchzusetzen. Als Metapher eignet sich ein Orchester, das durch diszipliniertes Üben und viele Auftritte in der Lage ist, die Stücke auf sehr hohem Niveau zu spielen. Die oben genannten Kennzeichen der High Performer gehören zu diesen Standards bei der Führung der einzelnen Mitarbeitenden. Die Schaffung der zuvor beschriebenen organisatorischen Rahmenbedingungen gehört ebenfalls dazu. Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Unternehmen hier erhebliche Optimierungsreserven haben.

Die Standards bilden aber nur einen Teil der Aufgaben im Vertrieb ab. Neben den Standards, gibt es die individuellen Kunden: Key Accounts, Lösungskunden usw. Sie repräsentieren bei vielen Unternehmen eine wachsende Kundengruppe. Der Trend zum individuellen Kunden wird ja schon lange propagiert und in der Regel auch in der Praxis bestätigt. Wenn diese Kunden auch noch attraktive Prise zu zahlen bereit sind, wird es auch wirtschaftlich interessant. Die Krux: Für das erfolgreiche Management dieser Kunden, geht es nicht um die Standards. Es geht um Kreativität und Innovation, es geht um Kooperation mit dem Kunden und ein breites Spektrum von Produkten und Dienstleistungen, bzw. um ganzheitliche Lösungen. Was bedeutet das für den Vertrieb und seine Führung? Man benötigt Mitarbeitende, die Kunden und ihre Prozesse verstehen. Man muss Freiheitsgrade zulassen. Man muss längerfristig denken. Man muss zusammen mehr Risiko eingehen um größere Chancen zu nutzen. Ich nenne das die „Kür in der Vertriebsführung“. Sie wird i.d.R. dann wichtig, wenn man die Pflicht erfüllt hat. Sie stellt deutlich höhere Anforderungen an die Vertriebsmitarbeitenden und auch die –führungskräfte. Man kann sich sogar kritisch fragen, ob es sich überhaupt, um die gleichen Mitarbeitenden und Führungskräfte handeln kann. Möchte man Pflicht und Kür gleichermaßen meistern, wir es in jedem Falle zu Spannungen in der Organisation kommen. Dazu gehören z.B. unterschiedliche Kompetenzen, unterschiedliche Freiheitsgrade, unterschiedliche Honorierungssysteme usw. Es lohnt sich, diese Herausforderungen zu reflektieren.