Vor einiger Zeit las ich ein Portrait über den kolumbianischen Maler und Bildhauer Fernando Botero. Auf die Frage, ob er einen zeitgenössischen Künstler bewundere, antwortete er: „Nein, keinen einzigen! Ich schäme mich fast dafür, das zu sagen, und mache mich mit meiner kritischen Ansicht zu diesem Thema unbeliebt. Was man heute intellektuell nennt, ist lächerlich. Künstler wie Picasso waren noch verbunden mit einer Evolution, mit den Werken von van Gogh oder Cezanne. Dadurch hatte sein Werk Substanz, ist solide und wertvoll. Die heutige Kunst ist nur noch von flüchtigen Ideen getragen, wie Modeerscheinungen. Aber, was will man auch erwarten, von den jungen Dingern, die gerade die Kunstschulen verlassen haben? Wie kann man diese amerikanischen Kids vergleichen mit den alten Meistern, die ein Leben lang daran arbeiteten, Vollendung zu erreichen?“ Weise Worte – die nicht nur für die Kunst gelten.

Auch an Universitäten, Akademien, in Seminaren und Trainings gibt es eine Tendenz der Studierenden und Teilnehmenden zum Flüchtigen und Oberflächlichen. Als gut wird bewertet, was der unmittelbaren Nutzung in der aktuellen Praxis dient. Nicht selten wird eine unterhaltsame Darbietung besser bewertet, als tiefschürfende, aber trockene Inhalte. Für intensive Zeiten der Vor- und Nachbereitung, die zur Verarbeitung und damit zum eigentlichen Lernen bzw. der Weiterentwicklung führt, fehlt häufig die Zeit. Das Tagesgeschäft drängt. Wie kann und sollte man sich als Führungskraft dieser Herausforderung widmen? Welche Rolle und welche Verantwortung haben Professoren, Dozenten und Trainer in diesem Kontext?

Es mag abgedroschen klingen, aber zunächst gilt für Führungs- und Führungsnachwuchskräfte der Grundsatz des „lebenslangen Lernens.“ Arie de Geus, ehemaliger CEO von Shell wird folgendes Zitat zugeschrieben: „The only competitive advantage, the company of the future will have, is the manager’s ability to learn faster than their competitors.“ Lernen sollte also eine wichtige Aufgabe einer Führungskraft oder eines Unternehmers sein. Ich bin fest davon überzeugt, dass dies nicht nur im Job „nebenbei“, sondern bewusst durch entsprechende Weiterbildungen und in der Zusammenarbeit mit Partnern, wie Professoren, Experten, Beratern und anderen Gleichgesinnten erfolgen sollte. Man muss dazu das Lernen „managen“.

Lernen ist optimierbar. Dabei ist jede und jeder Studierende, jede Führungskraft oder jeder Unternehmer selbst verantwortlich. Wenn Erwachsene und erfahrene Menschen lernen, ist das anders als bei Kindern und Jugendlichen. Inhalte werden mit den eigenen Erfahrungen verknüpft und kritisch hinterfragt. Die Hochschullehre für die Praxis (z.B. in berufsbegleitenden Studiengängen und Seminaren) profitiert in starkem Maße vom Erfahrungsaustausch und der gemeinsamen Reflexion. Das individuelle Lernen ist optimierbar, aber nicht beliebig verkürzbar. Je mehr Zeit ich einem Thema im Studium widme, desto besser verstehe ich die Zusammenhänge und um so souveräner werden meine Entscheidungen und mein Handeln sein. Dazu müssen das Lernen, der Beruf und das Privatleben ausbalanciert werden. Hier sind bei allem Idealismus für das Lernen natürlich Kompromisse notwendig. Diese Kompromisse befreien aber nicht von der Pflicht zu Substanz und Tiefgang.

Auch für Professoren, Dozenten und Trainer stellt sich die Frage nach der optimalen Balance zwischen Inhalten und einer attraktiven Form der Darbietung. Man spricht heute ja gerne vom „Edutainment“ als Symbiose zwischen Education und Entertainment. Auch wenn es für den einen oder anderen Lehrenden ehrenrührig zu sein scheint, beides ist notwendig. Edutainment ist daher durchaus auch ein Anspruch an eine moderne Form der Lehre. Es liegt in der Verantwortung der Professoren, die richtige Balance zu finden. Ihre oder seine Aufgabe besteht darin, Breite und Tiefe eines Themengebietes für eine bestimmte Zielgruppe festzulegen und Methodik und Didaktik optimal auszuwählen. Hierbei spielt auch der individuelle Stil der Person eine Rolle. Niemand wird von einem eher introvertierten Professor eine Show erwarten. Dennoch muss es für die Lernenden spannend, relevant und interessant sein.

Wie gehen wir diese Themen an meiner Business School, der „German Graduate School of Management & Law“ (www.ggs.de), an? Wir verpflichten uns an der GGS zu qualitativ hochwertiger Forschung. Nur so bleiben Inhalte wissenschaftlich fundiert und auf dem neuesten Stand. Zum anderen muss unsere Methodik und Didaktik so attraktiv sein, dass unsere Studierenden und Lehrgangsteilnehmer auch mehrere Tage voll bei der Sache bleiben können. Es ist etwas völlig anderes, eine oder mehrere 90 minütige Vorlesungen vor Vollzeitstudierenden abzuhalten, als mehrere Tage mit berufserfahrenen und anspruchsvollen Masterstudierenden zusammen zu arbeiten. Unsere eigene Didaktik des „Real Life Learning“ verbindet die individuellen Herausforderungen der Teilnehmenden und ihrer Unternehmen mit den Inhalten aus Studiengängen und Seminaren. Hier haben wir im Laufe der Jahre unsere Kernkompetenz für berufsbegleitenden Aus- und Weiterbildung herausgearbeitet.

Für unsere Studierenden und Lehrgangsteilnehmer aber auch für unsere Professoren und Dozenten, wünsche ich mir eine Einstellung, wie die, die auch schon Fernando Botero bewunderte. Eine lebenslange Arbeit an der Vollendung. Dabei wissen wir, dass in Management „Vollendung“ kaum möglich sein wird. Aber hier gilt: Der Weg ist das Ziel!