Das Image des Vertriebs 

Image des Vertriebs als Erfolgsfaktor?

Als ich vor einigen Jahren die Erfolgsfaktoren des Vertriebs untersuchte (mehr dazu in Dannenberg/Zupancic: Spitzenleistungen im Vertrieb, Gabler 2008), stellte sich heraus, dass das Image des Vertriebs in erfolgreichen Unternehmen sehr positiv war. Mehr noch: „The image of sales inside your company is excellent“ war der Aspekt, der die erfolgreichen Unternehmen in dieser größten internationalen Erfolgsfaktorenstudie am meisten vom Durchschnitt und den schlechtesten Unternehmen differenzierte. Ein Ergebnis, das uns zum Nachdenken brachte.

Natürlich kann man methodisch zunächst darüber streiten, ob ein gutes Image ein Erfolgsfaktor im Sinne eines Stellhebels oder ggfs. das Ergebnis erfolgreicher (Vertriebs-) Arbeit ist. Das überlasse ich gerne den wissenschaftlichen Kollegen oder denen, die sich dazu berufen fühlen. Aus praktischer Sicht interessiert mich mehr, welche Rolle spielt das Image des Vertriebs für den Erfolg des Unternehmens? Dieser Frage spüre ich im Folgenden nach und suche nach Antworten.

Zunächst: Wie ist es denn um das Image des Vertriebs bestellt? Seit unserer Studie stelle ich zu Beginn meiner Seminare oder Workshops mit Praktikern immer gerne diese Frage. Die Tendenz der Antworten ist – bis auf wenige Ausnahmen – immer die gleiche. Das Image des Vertriebs, seiner Aufgabe und auch seiner Mitarbeitenden ist mittelmäßig bis schlecht. Beispielhaft zitiere ich gerne die Aussage eines Inders bei der Summer Academy meiner Business School (www.ggs.de). Er arbeitet bei einem großen Technologiekonzern und sagte: „In Germany we call them „Sales Fuzzies“! Der Vertriebs-Fuzzie hat es also schon zu internationaler Berühmtheit gebracht. An dieser Stelle sei allerdings die Bemerkung gestattet, dass sich das negative Image des Vertriebs durchaus international bestätigen lässt und damit keine deutsche Erscheinung darstellt.

Interessanter Weise bestätigen auch die meisten Vertriebsmitarbeiter dieses Image selbst. Unternehmen tun wenig, um dem schlechten Image entgegen zu wirken. Beliebt sind dann neue Bezeichnungen und Titel, wie z.B. Kundenbetreuer, Relationship Manager, Account Manager, Gebietsverantwortlicher usw. usw. Alles kreative Ideen, die leider doch nur Kosmetik sind, wenn sie sich nicht mit einem Wandel in der Einstellung des Unternehmens zu seinem Vertrieb paaren. Die vorherrschende Meinung beschreibe ich gerne wie folgt: Geht es uns gut, ist das trotz des Vertriebs so. Geht es uns schlecht, ist der Vertrieb schuld!

 

Der Vertrieb als Engpassfaktor braucht ein gutes Image

Als „Engpassfaktor“ bezeichnet man einen Potenzialfaktor, dessen unzureichendes Vorhandensein die Nutzung anderer vorhandener Potenzialfaktoren verhindert. Der Begriff wurde ursprünglich durch Justus von Liebig für die Biologie geprägt, gilt aber nach meiner Überzeugung auch für Unternehmen. Ich behaupte, für viele Unternehmen ist der Vertrieb der Engpassfaktor. Mehr noch: Ich stelle seit vielen Jahren fest, dass Unternehmen keine richtigen Differenzierungsfaktoren gegenüber ihren Wettbewerbern mehr besitzen. Um im Vertriebsjargon zu bleiben: Es fehlt der USP, die Unique Selling Proposition, das Alleinstellungsmerkmal. Das gilt für die allermeisten Unternehmen. Man erkennt es daran, dass sich fast alle darüber beklagen, dass am Ende nur noch der Preis entscheidet. Das ist deshalb so, weil alle anderen Aspekte einer Leistung mit denen des Wettbewerbs vergleichbar sind.

Ich bin der Meinung, dass für viele Unternehmen der Vertrieb den entscheidenden Faktor ausmachen könnte. Seine Möglichkeiten liegen in der Beratung, in kundenindividuellen Lösungen, in der besten Kenntnis des Angebotsportfolios, in kundenorientierten Kanälen und auch in den weichen Faktoren, wie Vertrauen, Beziehungen usw. Diese Liste ließe sich verlängern und der Kreativität sind – Professionalität vorausgesetzt – eigentlich keine Grenzen gesetzt. Es funktioniert im Grunde in jeder Branche und in jedem Geschäftsmodell. Es funktioniert aber in solchen am besten, in denen es einen persönlichen Verkauf gibt.

Voraussetzung für diese Alleinstellungsmerkmale, die durch den Vertrieb erzeugt werden, sind gute Mitarbeitende. Es wundert uns nicht, dass verschiedene Studien und Publikationen darauf hinweisen, dass die Anforderungen an die Qualifikationen der Verkäuferinnen und Verkäufer immer größer werden. Das widerspiegelt sich auch darin, dass sich immer mehr Hochschulen und Wissenschaftler mit den Erfolgsfaktoren des Vertriebs beschäftigen, während wir an meiner früheren Wirkungsstätte im Team von Professor Christian Belz an der Universität St.Gallen vor 20 Jahren fast alleine auf diesem Gebiet unterwegs waren. Das zeigt sich zusätzlich auch in den immer anspruchsvolleren Stellenbeschreibungen von Vertriebsmitarbeitenden und den Klagen der Personalverantwortlichen, dass diese Stellen nur sehr schwer zu besetzen seien.

Was hat das mit dem Image zu tun? Sehr viel. Wie wollen wir die besten Leute oder zumindest sehr gute Mitarbeitende für Vertriebsaufgaben motivieren, wenn das Image dieses Bereiches schlecht ist? Wie wollen wir den Vertrieb zu Höchstleistungen bringen, wenn die Mitarbeitenden nicht stolz und überzeugt sind, sondern mit ihrer Rolle hadern? Ich meine, das wird eine Mammutaufgabe. Ein attraktives Image ist daher eine wichtige Voraussetzung dafür, die richtigen Leute zu finden bzw. diese für die Aufgaben zu entwickeln.

 

Gründe für das schlechte Image des Vertriebs

Es ist nicht einfach, die Ursachen für das schlechte Image zu ergründen. Ein Grund mag in der Persönlichkeit des Verkaufspersonals liegen. Zunächst haben viele Menschen schon mehrfach die Erfahrung gemacht, von einer Verkaufsmitarbeiterin oder einem –mitarbeiter über den Tisch gezogen worden zu sein. Intuitiv denken wir an den „Staubsaugervertreter“ oder die Person, die sinngemäß den „Eskimos Kühlschränke verkaufen kann.“ Der typische Verkäufer, so scheint es, ist häufig extrovertiert, redet gerne und viel, ist ein Selbstdarsteller, häufig arrogant. Kurzum: Ein typischer „Vertriebsfuzzie“ Randbemerkung: Es liegt wohl in der Natur des Menschen, dass die vielen professionellen und seriösen Beratungen, die wir alle täglich erleben, als normal gelten und nicht auffallen.

Ein weiterer Grund liegt in der Rolle und der Wahrnehmung des Vertriebs im Unternehmen. Auch hier finden sich viele gefestigte Annahmen, die überwiegend negativ sind: hohe Gehälter, schöne Firmenwagen, nicht am Arbeitsplatz („Was machen die den ganzen Tag?“). Gerade der letzte Punkt ist spannend: Auf der einen Seite soll der Vertrieb draußen beim Kunden sein, um die „Customer Face Time“ zu maximieren. Auf der anderen Seite, sind Mitarbeiter und Führungskräfte skeptisch, ob der Vertrieb draußen wirklich arbeitet. Unsicherheit und Argwohn machen sich breit, wenn man den Außendienst tagelang nicht sieht. Obwohl man ja gerade das möchte. Übrigens ist dieses Phänomen nach meiner Überzeugung der Grund für die im Vertrieb so weit verbreiteten variablen Gehälter. Aber das ist ein anderes Thema.

Stimmen diese Beschreibungen? Meine Diskussionen mit der Praxis bestätigen mich in der Annahme. Aber wie sieht es in der Realität aus? Interessanterweise stimmt dieses Image nicht mit der Realität des erfolgreichen Verkaufs überein. Untersuchungen über Verkäuferpersönlichkeiten, zeigen kein einheitliches Bild. Aber viele Kolleginnen und Kollegen denken in diesen Stereotypen. Das können Sie leicht überprüfen, wenn Sie jemanden bitten, einen typischen Verkäufer spontan zu beschreiben. Oder danach fragen, was jemand über den Vertrieb seines Unternehmens denkt.

 

Optimierung des Vertriebsimages

Ich persönlich bin überzeugt, dass eine positive Einstellung zum Vertrieb und Wertschätzung seiner Aufgaben, ein entscheidender Faktor für den Vertriebserfolg ist. Ich halte es dabei mit Lou Gerstner, dem ehemaligen Chef von IBM, der sagte: „Die Sales Organisation ist nicht die ganze Firma, aber die ganze Firma sollte wie eine Verkaufsorganisation agieren.“ Wenn Vertriebserfolge dann das Image des Vertriebs wiederum zusätzlich positiv beeinflussen, ist das natürlich bestens. Letztendlich geht es nicht um eine Imagekorrektur im eigentlichen Sinne, sondern um die Optimierung der Leistungsfähigkeit des Vertriebs für den Erfolg des Unternehmens. Ich schlage folgende Stellhebel vor:

  • Top Management Repräsentant für den Vertrieb: Der Vertrieb sollte einen überzeugten Verantwortlichen auf Top-Level des Unternehmens, also als verantwortlicher Vorstand oder Geschäftsführer haben. Diese Aufgabe kann man nicht einfach an irgendeine Führungskraft aus dem oberen Kader delegieren. Dieser Vertriebsvorstand ist der oberste Verkäufer und zugleich oberster Repräsentant. Was er (oder sie) sagt, wie er es sagt und vor allem, wie er handelt, wird von allen Mitarbeitenden wahrgenommen und bewertet. Er ist Vorbild.
  • Top Management Support für den Vertrieb: Der Vertriebsvorstand oder –geschäftsführer ist auch derjenige, der bei internen Diskussionen für den Vertrieb (als Teil des Unternehmens) kämpft und die Bedürfnisse des Vertriebs vertritt. Hier scheint mir wichtig, dass es nicht um Sonderrollen und Privilegien für den Vertrieb geht. Es geht darum, den Vertrieb und seine Mitarbeitenden bestmöglich zu integrieren, damit die optimale Leistung entfaltet werden kann.
  • Der Vertriebsmitarbeiter als „ehrbarer Kaufmann“: Was zunächst etwas pathetisch klingt, bringt es nach meiner Erfahrung gut auf den Punkt: der ideale Vertriebsmitarbeitende ist fachlich sehr gut ausgebildet, hat breite praktische Erfahrungen, ist leistungsorientiert und agiert ehrbar, d.h. er ist ständig bemüht wirtschaftliche Interessen und Menschlichkeit zu vereinbaren. Es würde den Rahmen dieses Blogs sprengen, ins Detail zu gehen. Ich komme jedoch zu dem Schluss, dass alle Facetten des ehrbaren Kaufmannes dazu geeignet sind, ein wünschenswertes Image des Vertriebs zu erzeugen. Und ich denke weiter, dass das Bild des ehrbaren Kaufmannes auch ein sehr attraktives Berufsbild für den Verkauf sein könnte. Dass dieses Bild den oben erwähnten Vertriebsgeschäftsführer einschließt, ist selbstverständlich.
  • Kontraproduktive Rahmenbedingungen im Unternehmen eliminieren: Es gibt in vielen Unternehmen eine ganze Reihe von Rahmenbedingungen, die ein gutes Image des Vertriebs verhindern. Beispiele:
    • Die Bedingungen für die Vertriebsaufgaben sollten auch für andere Mitarbeitende transparent sein, damit nicht Neid und Missgunst wegen vermeintlicher Privilegien herrscht, sondern klar ist, warum z.B. gewisse Freiheitsgrade existieren (müssen).
    • Hohe variable Gehälter, die sich an den falschen Größen orientieren, führen fast immer zu Fehlsteuerungen im Verhalten der Mitarbeitenden. Das Honorierungssystem ist nach meiner Einschätzung häufigste Ursache für Fehlverhalten im Vertrieb und damit auch das Image.
    • Schnittstellen im Unternehmen müssen „gemanaged“ werden. Vertrieb – Marketing, Vertrieb – Produktion, Vertrieb – Controlling u.a. sind klassische Konfliktfelder in Unternehmen. Sie müssen entweder durch klare Regeln und Anweisungen geregelt oder sie müssen durch Entscheider gemanaged werden. Schnittstellenmanagement darf kein Zufalls- und Machtspiel sein.

Im Grunde geht es um Folgendes: Bei allen Facetten sollte das Unternehmen darauf achten, dass der Vertrieb mit seinen Managern und seinen Mitarbeitenden wie ehrbare Kaufleute handeln sollen und eben auch können.