Viele moderne Themen der Betriebswirtschaftslehre lassen sich mit dem wohlbekannten Spruch „Alter Wein in neuen Schläuchen“ titulieren. In Seminaren begegnet mir auch immer wieder die Frage, was denn die aktuellen und zukünftigen Themen in Vertrieb und Marketing seien. Die Frage ist durchaus berechtigt. Allerdings muss man auch häufig feststellen, dass die früheren Themen noch gar nicht konsequent umgesetzt wurden. Konsequenz in der Auswahl der richtigen Themen und Konstanz sowie Kontinuität in deren Umsetzung, scheinen mir größere Herausforderungen als die, den nächsten Hype nicht zu verpassen. Daher mag ich in bestimmten Fällen neue Schläuche für alte Weine. Nämlich dann, wenn sie wesentliche Erfolgsfaktoren in Marketing und Vertrieb wieder ins rechte Licht rücken und ihnen damit neue Schubkraft verleihen. Das gilt auch für die Customer Experience.

Das Konzept rückt den Kunden wieder dorthin, wo er nach diversen Studien stehen muss, wenn Unternehmen erfolgreich sein wollen: In den Mittelpunkt des Handelns. Es verleiht dem Kunden und dem Konzept Kraft, indem verantwortliche Funktionen und Ressourcen, wie z.B. (Chief) Customer Experience Manager, geschaffen werden. Es ist nach meiner Erfahrung deutlich leichter nachvollziehbar als die Diskussionen um Kundenbedürfnisse, die häufig sehr abstrakt blieben. Da kann man mit der „Erfahrung“ aus dem Blickwinkel von Kunden sehr viel schneller und konkreter Ansatzpunkte für die Optimierung der eigenen Marktbearbeitung finden. Und diese zugleich auch noch wunderbar mit nachvollziehbaren Geschichten, den „Stories“ verbinden. Diese Sichtweisen erleichtern nicht nur die konzeptionelle Arbeit des Marketings, sondern auch die praktische Arbeit des Vertriebs. Die Customer Experience öffnet die Sichtweise auf Kunden in eine dynamische Perspektive. Die Erfahrungen eines B2C-Kunden im Laufe eines Tages, eines Kaufprozesses oder die eines B2B Kunden im Lauf einer komplexen Beschaffung oder einer langfristigen Geschäftsbeziehung sind sehr gute Orientierungspunkte für die größte Optimierungsreserve in vielen Unternehmen: Die Systematik in der Marktbearbeitung. Liegen die Erkenntnisse der typischen Kundenerfahrungen in einer bestimmten Geschäftssituation vor, lassen sich diejenigen Hebel identifizieren, die uns in Marketing und Vertrieb überhaupt zur Gestaltung der Kundenerfahrungen als Anbieter zur Verfügung stehen. Diese lassen sich dann auch systematisch optimieren. Ergänzend seien noch die Herausforderungen des Multichannel-Managements erwähnt. Kunden erwarten heute die Präsenz von Anbietern auf verschiedenen Kanälen. Sowohl die Frage, welche Kanäle für welche Kundenerlebnisse relevant sind, als auch die Frage, wie die Erlebnisse des Kunden in jedem Kanal gestaltet werden sollen, sind wichtig und hilfreich.

Das vermeintlich neue Thema der „Customer Experience“ ist daher (wieder einmal) eine große Chance für Marketing und Vertrieb. Aber es geht (wieder einmal) nicht um Effekthascherei, sondern um Substanz. Nutzen wir den Hype mit Konsequenz, Konstanz und Kontinuität.